top of page

Mitternachtsgedanken


Von Veränderungen, Sonnenbrand und Heimweh

Seitdem ich in Tegel ins Flugzeug gestiegen bin, war ich von einem Gedanken besessen gewesen: Alles hinter mir lassen, nicht zurückzuschauen, Veränderung, ein neues Ich. Kein zurück.

Es ist schade, dass es zwei fetten Sonnenbrände später ist, bis ich hier sitze und verstehe, dass das nicht der Sinn ist. Auf jeden Fall nicht mein Sinn.

Was habe ich vom UWC erwartet?

Nicht viel anderes, als die meisten anderen, schätze ich. Gemeinschaft. Verständnis. Eine gute Ausbildung. Freunde.

Aber in meinen ehrlichen Momenten ging es mir gar nicht darum, was ich haben wollte, sondern was ich verlassen würde. Jap, ich hatte mein Leben ziemlich satt und ich konnte es nicht erwarten, endlich, endlich damit abzuschließen. Den nächsten Schritt zu wagen oder eher Kopf über die Klippe runterzustürzen.

Und die ersten Tage, Wochen, ja die ersten zwei Monate waren fantastisch. Ich war endlich wieder Neugierig, fühlte mich herausgefordert und, was noch viel wichtiger war? Ich fühlte mich akzeptiert, ich hatte das Gefühl hineinzupassen und ja wenn ich mir bei einer Sache ziemlich sicher bin, dann dass das UWC ein Ort für mich ist. Und ich meine ein Ort. Nicht der Ort.

Die letzten Monate am Gymnasium in Berlin habe ich hauptsächlich damit verbracht das UWC Logo in mein Hausaufgabenheft zu kritzeln und zu träumen.

Vom UWC Alltag?

Ja, das auch. Aber davon wollte ich mir gar kein besonderes Bild machen, egal was mir irgendjemand erzählen würde, meine Erfahrung würde sowieso anders werden.

Ich träumte davon zurückzukehren, noch bevor ich überhaupt aufgebrochen war. Ich würde zurückkehren, heldenhaft, wunderschön, fehlerfreie Figur, mit einer perfekt-sitzenden Frisur, einem strahlenden Lächeln und sonnen-gebräunten Wangen und Armen.

So skandinavisch ich mich fühle und gebe, meine Haut ignoriert das ¼ Schwedin in mir gewissenhaft und sorgfältig.

An Sonnencreme glaube ich schon lange nicht mehr. Sie wegzulassen ist aber auch keine Alternative ,wie mir immer wieder versucht wird beizubringen (nicht das ich dazulerne).

Ist das nachvollziehbar? Mein Filmstar Zurückkommen?

Ich weiß es nicht

Seitdem ich 10 war, war das mein Traum. Damals war es meine Grundschulklasse, die eines Tages vor Filmpostern stehen und sich schwarz ärgern sollte, mich immer geärgert zu haben.

Aber meine Klasse am Gymnasium hatte ich immer gemocht. Erst in der 9ten fand ich mich irgendwie wieder in der uralten Grundschulsituation, fühlte mich als hätte sich nichts verändert.

Obwohl gerade das das Problem war: ich hatte mich verändert und sah auf meine Klasse, die mich meiner Meinung nach einfach nicht verstand.

Aber das stimmte nicht.

Ich verstand sie nicht. Das eine oder andere läuft jedoch auf’s Gleiche hinaus:

Einsamkeit.

Und wieder wollte ich es ihnen beweisen. Obwohl die einzige Person, der ich etwas beweisen wollte ich selbst war.

Und so stehe ich hier mit 17, vor dem Spiegel und gleite mit den Fingern über meine nackten Schultern. Ich war nur eine Stunde in der Sonne gewesen, aber müsste jetzt lange genug in Asien gewesen sein, um die Sonne hier einschätzen zu können.

Ich hatte Angst im Dezember nach Berlin zurückzukehren. Ja, Albträume hatte ich und redete mir ein meine Schule sei ach so schlimm gewesen.

Aber auch das stimmt nicht. Meine Gymnasium hat mich lange Zeit sehr glücklich gemacht, war lange Zeit ein Ort für mich.

Und dann irgendwann nicht mehr.

Und das ist okay.

Und das bemerke ich im selben Moment, wo meine Hand fast wie von selbst das Mozart-Requiem anschaltet und eine Jesuiten-Universität als Favorit bei den „Colleges I’m Thinking about“ eingibt.

Ich vermisse Berlin. Und nachdem der Ärger und die Verständnislosigkeit darüber verstrichen ist, lächle ich. Denn das heißt, dass es etwas gibt, was es wert ist zu vermissen, es heißt dass ich glücklich war, so banal wie das klingt.

Ich war glücklich. Und als ich es nicht mehr war, habe ich gearbeitet, dass ich jetzt wieder auf die Emails antworten kann, die fragen wie es mir geht: Ja, ich bin sehr, sehr glücklich.

Ich liebe die Lehrer, meine Coyears, den Unterricht, ja selbst den Stress, ja selbst IB.

Aber bei der Frage „Do you consider Singapore “Home“ konnte ich nicht auf die Ja-Seite wechseln. Und das ärgerte mich. Denn ich mache mich lustig über meine alte Schule, ja bin die, die am meisten Deutschland-Satire-Witze reißt.

Es ist einfacher alles abzuschließen, den Schlüssel wegzuwerfen. To move on. Alles hinter sich zu lassen.

Es spart einem viel Stress mit regelmäßigem Kontakt halten. Es spart einem Heimweh.

Aber wer würde die Harry Potter Bände lesen und immer den jeweils vorherigen anschliessend vergessen?

Es ist so wie einer meiner Coyears am Anfang unseres Firstyears sehr richtig bemerkt hat: "At this point of our life there’s not going to be a place on earth, where you don’t miss anyone"

Und ist das nicht wunderschön? Vermissen heißt doch, dass es es wert war. Meine Grundschulklasse habe ich nicht vermisst. Mein Übergang ins Gymnasium war reibungslos und einfach. Aber ich möchte die Vergangenheit nicht verbannen, denn sie gehört zu mir und hat mich letztendlich hierhin gebracht. Alles wegzuschließen macht es einfacher, aber widerspricht dem Leben.

Ich bin wieder glücklich. Das UWC ist jetzt ein Ort für mich.

Aber sagen wir es so. Hätte mein Gymnasium einen „Gottesdienst-Livestream“, ich würde wahrscheinlich einschalten.

bottom of page